Die Produkte und Technologien für eine ökologisch nachhaltige Architektur sind da. Ebenso sind die Architekten, Hersteller und Verarbeiter da, die in der Lage sind, die Zukunft zu planen und zu bauen. Das 1. digitale Netzwerkreffen der IG INNOVATIVE GEBÄUDE ÖSTERREICH mit über 50 Teilnehmern brachte neben 4 interessanten Vorträgen auch eine Diskussion darüber, warum nicht wirklich was weiter geht.
Die erste Öko-Generation
Ich bin 1960 geboren, also 1980 in der Zeit der aufkeimenden Ökologiebewegung erwachsen geworden. Hainburg, Club of Rome, Zwentendorf, Ozonloch, Peakoil, autofreier Sonntag waren prägende Erlebnisse ab dieser Zeit. Die Erkenntnis, dass wir möglicherweise das ökologische Gleichgewicht zerstören, war für mich und meine Generation neu.
Die Passivhaustechnik, Fotovoltaik und Wärmepumpen ab etwa der Jahrtausendwende waren innovative Ansätze, die zeigten, dass Bauen mit deutlich weniger Energie- und Ressourcenverbrauch möglich ist. Mehr als einzelne bejubelte Leuchtturmprojekte gibt es bis heute aber nicht. Der Aufbruch in eine wirklich nachhaltige solare Architektur lässt bis heute auf sich warten.
Das Wissen und die Technik sind vorhanden
Kein Wunder also, dass der Frust meiner Generation deutlich zu spüren ist. Wie kann es sein, dass der so dringend nötige Wandel zu einer naturgerechten Wirtschaft, zu einem klimagerechten Lebenswandel, zu einer ökologischen Politik so langsam voran kommt? Wie kann es sein, dass Lobbyisten Veränderungen, die von der Wissenschaft seit Jahrzehnten empfohlen werden, verhindern? Ich verstehe die, denen alles zu langsam, zu inkonsequent, zu oberflächlich voran geht. Dieser Frust war unter anderem Thema des ersten Netzwerktreffens der IG vergangene Woche mit über 50 Teilnehmern.
Die IG INNOVATIVE GEBÄUDE, hervorgegangen 2013 aus der IG Passivhaus, steht für ökologisch nachhaltiges Bauen, für die kooperative Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen und einen technologieneutralen Zugang. Ein innovatives Gebäude kann ein energieeffizientes Passivhaus sein, aber auch ein, erneuerbare Energie nutzendes Sonnenhaus, ein aus natürlichen Materialien gebautes Ökohaus oder alles zusammen. Entscheidend ist das Ziel, einen Beitrag zur Minimierung der ökologischen Auswirkungen bzw. zur Dekarbonisierung zu leisten.
Vinzenz Harrer: Die österreichischen Dämmexperten
Der erste Vortrag von Vinzenz Harrer handelte von einer Plattform ausführender Dämmexperten in Österreich. Dieses Netzwerk, ins Leben gerufen von der Harrer Holzbau GmbH., IG-Mitglied und führender Lieferant für ökologische und energieeffiziente Lösungen im Holzbau, ermöglicht das schnelle Finden von fachkundigen Verarbeitern von zertifizierten Dämmstoffen, von Hanf über Zellulose, Holzweichfaser bis zu Stroh. Ziel ist die optimale Beratung und Ausführung bei Neubau- und Sanierungsvorhaben. Das Kredo von Vinzenz Harrer ist die Verfügbarkeit von ausgereiften nachhaltigen Produkten für den ökologischen Holzbau sowie das Vernetzen von fachkundigen heimischen Betrieben. www.dämmexperten.at
Zum Vortrag von Vinzenz Harrer
Barbara Mayr: Nachhaltigkeit als Unternehmensziel
Der zweite Vortrag von Barbara Mayr vom IG-Mitglied OeAD WohnraumverwaltungsGmbH (OeAD-WV) handelte von den vielfältigen Aktivitäten des gemeinnützigen Studentenheimträgers im vergangenen Jahr. Auf Basis der tiefen Überzeugung des Unternehmens bzw. seines Geschäftsführers Günter Jedliczka, dass wir gemeinsam an der nachhaltigen Änderung unserer Bauweise sowie ökonomischen Verhältnissen arbeiten müssen, bietet die OeAD-WV den aus aller Welt 12.000 Studierenden Wohnmöglichkeiten in höchster energetischer Qualität. Daneben werden regelmäßig die Green.Building.Solutions. (GBS) Summer University und die Alternative Economic und Monetary Systems (AEMS) Summer School angeboten. summer-university.net, oeadstudenthousing.at
Zum Vortrag von Barbara Mayr
Roland Setznagel: Die Qualitätsplattform Sanierung
Der dritte Vortragende, DI Ronald Setznagel vom 17&4 Organisationsberatung berichtete von der geplanten Gründung der „Qualitätsplattform Sanierung“ als wesentlicher Baustein der Initiative der Stadt Wien zur Hebung der Sanierungsrate. Unter dem Motto „Wir SAN Wien“ startet die Stadt Wien die nächste Sanierungsoffensive, die von einer Plattform von anerkannten Experten aus den Bereichen der Architektur, Energieplanung und Umsetzung unterstützt werden soll. Weiters plant die Stadt Wien ein Fördermodell für ganzheitliche Sanierungsplanung, um den notwendigen hohen Qualitätsanspruch in thermischer und ökologischer Hinsicht zu stützen. Damit geht es hoffentlich nicht mehr um reine Masse, sondern um Qualität. Die Experten der IG Innovative Gebäude Österreich und der Baurettungsgasse unterstützen mit dem ganzheitlichen 6 Säulen-Modell diesen notwendigen interdisziplinären Ansatz. www.17und4.at
Zum Vortrag von Ronald Setznagel
Peter Tappler: Raumluftqualität in Zeiten von Corona
Größtes Interesse weckte naturgemäß der Vortrag von IG-Mitglied DI Peter Tappler von der IBO Innenraumanalytik über Raumluftqualität in Zeiten von Corona. Als Sachverständiger und Leiter des „Arbeitskreis Innenraumluft“ am Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK)hat er Einblick in die neuesten Forschungen, die Handlungsbedarf aufgrund der neuen Gegebenheiten aufzeigen. So benennt Tappler konkret die Notwendigkeit für geregelten Luftaustausch in Räumen mit größerer Menschenansammlung. Dass gut gewartete Lüftungsanlagen nachweislich weniger Infektionen und Krankheiten verursachen, ist zwar seit langem Stand des Wissens, aber in der Praxis des Bauens noch nicht immer angekommen. Deshalb ist es Peter Tappler immer wieder wichtig, mit falschen Mythen von Lüftung als Keimschleuder und ähnlichem aufzuräumen. Aus diesem Grund wurden Positionspapiere zu verschiedenen Themen sowie das einfache Simulationstool VIR-SIM entwickelt. Dieses Tool ermöglicht die Abschätzung des Infektionsrisikos in Räumen, abhängig von der Belegung und der Lüftungsrate. www.raumluft.org, www.innenraumanalytik.at
Der Link zum Simulationsprogramm raumluft.linux47.webhome.at/innenraum-und-sars-cov-2/vir-sim-simulation-risiko/
Zum Vortrag von Peter Tappler
Qualität ist Definitionssache
Die abschließende Diskussion unter den Teilnehmern zeigte deutlich die Unzufriedenheit der Fachleute mit der Realität des Bauens. Während auf der einen Seite von Architekten, Energieberatern, Haustechnikplanern versucht wird, bei Auftraggebern qualitative Aspekte des Bauens durchzusetzen, zwingt das ökonomische Diktat zu Einsparungen. Wo welche Einsparungen getätigt werden, hängt nicht nur von der mehr oder weniger fachkundigen Beratung, sondern auch von den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen ab. Die IG INNOVATIVE GEBÄUDE ÖSTERREICH bemüht sich mit ihrem großen interdisziplinären Netzwerk um die seriöse ganzheitliche Beratung sowie die Bewusstseinsbildung und den Erfahrungsaustausch mit dem Ziel, eine ökologisch nachhaltige Architektur zu etablieren. www.innovativegebaeude.at
DI Heinrich Schuller